7AUF1STRICH – das sind täglich 7 Fragen an Comic-Zeichner*innen und Illustrator*innen. Normalerweise. Manchmal stelle ich allerdings auch andere Menschen vor, die irgendwie mit der Comic-Szene zu tun haben. Diesmal: Karoline Bofinger.
Karoline Bofinger ist Comic-Redakteurin bei Le Monde diplomatique und fotografiert Zeichner*innen. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
Warum hast du angefangen, dich beruflich mit Comics zu beschäftigen?
Ende der 80iger traf ich in Ost-Berlin auf ComiczeichnerInnen wie Holger Fickelscherer, Anke Feuchtenberger(7AUF1STRICH-Interview), Henning Wagenbreth, Detlef Beck (alle PGH Glühende Zukunft), sowie Atak, CX Huth und Peter Auge Lorenz. Mit letzterem arbeitete ich zusammen nach dem Mauerfall in der Comic-Bibliothek „Bei Renate“, wo auch ein gleichnamiges Magazin heraus gebracht wurde. Als ich dann später als Layouterin bei der Le Monde diplomatique landete, kam die Idee, eine Comicseite einzuführen. Wir wollten damit an die Tradition der großartigen amerikanischen Sunday Pages des letzten Jahrhunderts anknüpfen. Mittlerweile erscheint diese Comicseite seit 2005 jeden Monat in der deutschen Ausgabe. Im Verlag Reprodukt sind bisher 3 Sammelbände erschienen. Und es gab sehr viele Ausstellungen. Seit 2019 tourt eine Ausstellung durch verschiedene Goethe-Institute der USA, Russland und zur Zeit in Australien und Neuseeland. Ab und an habe ich auch gezeichnet, aber eine Veröffentlichung gabs nur Anfang der 90iger in der Zeitschrift „Mein Schatz“, eine Illustration zusammen mit einer Comic-Kritik. In der Comic-Reihe „Schokoriegel“ erschien von mir unter dem Pseudonym KAIRO„Trilogie der Leidenschaften“, 3 Geschichten erzählt mit alten Fotos.
Nach welchen Kriterien wählst du deine Comics für Le Monde diplomatique aus?
Ich gucke nach ZeichnerInnen aus aller Welt, die ich stilistisch und /oder erzählerisch interessant finde und frage sie dann, ob sie exklusiv eine Seite für uns machen würden. Das Thema ist dabei immer frei. Und in den meisten Fällen entsteht so eine tolle Comicseite. Mittlerweile bewerben sich viele der ZeichnerInnen aber auch von selbst.
Welche Entwicklungen in der Comicszene findest du aktuell spannend?
Was Deutschland betrifft, gibt es eine auffällig wachsende Anzahl an Neuerscheinungen von jungen Künstlerinnen und Künstlern, die, meist von Hochschulen kommend, erste Werke veröffentlichen. Darunter sehr viele Frauen. Einen großen Anteil an diesen qualitativ hochwertigen Debüts haben hierbei die großartigen Professorinnen und Professoren der Hochschulen in Berlin, Hamburg, Kassel, Halle, Leipzig und Hamburg. Und international gesehen, gibt es immer mehr interessante ZeichnerInnen aus dem baltischen Raum. Viele kann man im Comic-Magazin Kuš! entdecken.
Was können Comics, Cartoons und Illustrationen, was andere Medien nicht können?
Aus der Sicht der Bildredakteurin kann ich sagen, dass manchmal bestimmte Texte zu schwierigen Themen besser mit Illustrationen zu bebildern sind als mit Fotos. Illustrationen/Comics geben dir außerdem die Möglichkeit, auf einfache Art alles zu erschaffen, was du willst. Und beim Film werden immer öfter gezeichnete Sequenzen benutzt, um vergangene Sachen zu erzählen, wo es kein Bildmaterial gibt.
Dein schönstes/schlimmstes Erlebnis als Comic-Redakteur*in?
Ich habe mich wahnsinnig gefreut, als ich 2016 mein erstes großes Comic-Idol Jacques de Loustal auf dem nextcomic-Festival in Linz getroffen habe und eine Kombi-Ausstellung mit seinen Arbeiten und Comics aus LMd kuratieren durfte. Wunderbar war auch meine Einladung ins Goethe-Institut nach San Francisco, wo Arbeiten deutscher ZeichnerInnen aus LMd gezeigt wurden. Und ich freu mich jedes Mal, wenn ein Buch mit unseren Comics beim Verlag Reprodukt erscheint. Schlimm war der Tag der Eröffnung unserer zweiten großen Ausstellung in der Galerie Neurotitan am 9. Januar 2015, weil 2 Tage vorher der Anschlag auf Charlie Hebdo passierte. Außerdem fühle ich mich jedes Mal schlecht, wenn ich eine Comicgeschichte ablehnen muss.
Kannst du den Satz: „Mir ist nicht egal, dass…“ vervollständigen?
Mir ist nicht egal, wie lange ich lebe.
Für dieses Projekt möchte ich gerne Werbung machen:
In eigener Sache möchte ich Werbung für meine Foto-Serie „Comicszene Berlin“, machen: Ein Langzeit-Fotoprojekt, wo ich mein Beruf als Fotografin mit dem der Comic-Redakteurin verbinden kann. Ich portraitiere Comickünstler*innen aus Berlin, indem ich versuche, eine fotografische Umsetzung für die Art des jeweiligen Zeichenstils zu finden. Zu sehen auf Insta @comicszene_berlin – und hier:
7AUF1STRICH wird derzeit mit Mitteln aus dem Stipendiatenprogramm von NEUSTART KULTUR gefördert. Herzlichen Dank! Aktuell gibt es wieder neue Stipendien, ich empfehle allen, die journalistische/kulturelle Projekte betreiben, sehr, es dort einmal zu versuchen. Mehr Infos und Anmeldung via soziokultur.neustartkultur.de
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