SIEBEN AUF EINEN STRICH – das sind täglich 7 Fragen an Comic-Zeichner*innen und Illustrator*innen. Diesmal an: Christian Scharfenberg.
Christian Scharfenberg wurde 1974 in Soest geboren und lebt und arbeitet in Hamburg.
Warum hast du angefangen zu zeichnen?
Im Kindergarten zeichnen ja erstmal alle. Da wurde ich immer für meine Zeichnungen gelobt. Das mag noch nichts heißen, aber ich war darauf trotzdem stolz wie Bolle! Die Motivation war einfach da. Später in der Schule hätte es kippen können. Nach den ersten paar Jahren werden Schulkinder ja nicht mehr wirklich zum Zeichnen angeregt. Ich war irgendwie ein hibbeliges, unruhiges Kind. Das ist fürs Zeichnen eigentlich eine schlechte Voraussetzung. Aber bei mir wurde gerade deshalb ein Schuh draus: Gerade diese selbstvergessene, ruhige Tätigkeit war total gut für mich. Bewusst war mir das natürlich nicht, aber ich habe durchs Zeichnen meine innere Unruhe ziemlich gut selbst reguliert. Dem Unterricht konnte ich viel besser folgen, wenn ich nebenbei vor mich hingekritzelt habe. Meine Lehrer haben das natürlich nicht geglaubt, wenn sie mich gelegentlich erwischt haben und hielten es für eine billige Ausrede. Deswegen gab es ständig Ärger. Heute scheint die Pädagogik da zum Glück weiter zu sein. Zu den Lehrern meiner Kinder habe ich gesagt, so, passt mal auf: Ich verlange, daß die Zeichnen dürfen während des Unterrichts! Und die so: Ja klar, warum denn nicht? :-D
Wie würdest du deinen Stil beschreiben?
Als windelweich bis stillos. Ich bin kein grosser Stilist, eher ein Chamäleon. Ich kann mehrere Stile und Techniken so einigermassen, und noch ein paar mehr kann ich immitieren, wenn’s sein muss. Aber kein Stil gefällt mir so gut, dass ich ihn immer sehen will. Einen geschliffener Stil mit einem hohem Wiedererkennungswert zu haben, ist sicher toll, aber es lebt sich auch gut ohne. Gerade als Freelancer ist es im Grunde sogar besser, keinen zu haben. Sonst bist du sofort „dieser eine Typ, der immer SO zeichnet“.
Welche Themen liegen dir besonders am Herzen?
Keine speziellen Themen. Ich bin da ganz offen. Ich finde es toll, einen Job zu haben, wo einem alle möglichen Themen von außen angetragen werden. Alles ist ja interessant, wenn man sich erstmal damit beschäftigt. Neulich musste ich ein riesiges Bild voller Abflüsse, Klärwerke und Versickerungsanlagen zeichnen. Das erschien mir erstmal nicht so prickelnd wie z.B. ein Filmplakat zu gestalten, aber im Laufe der Arbeit habe ich so viel über Wasserwirtschaft gelernt, daß ich mich richtig dafür begeistern konnte! Ich lasse mich gerne auf Themen ein, vielleicht weil ich sonst nie meine Komfortzone verlassen würde. Einmal hatte ich über Weihnachten und Sylvester einen Storyboard-Job. Das war für ein geplantes Dokudrama, wo es um Faschismus und Folterungen im Argentinien der 70er Jahre ging. Ich musste viele Details recherchieren über die Methoden, die damals angewendet wurden. Das hat mir extrem gründlich die Feiertage vermiest und über Wochen meine Stimmung stark eingetrübt. Aber hinterher war ich doch froh darüber, daß ich meinen Horizont erweitert hatte. Ganz freiwillig funktioniert bei mir sowas leider nicht.
Wie suchst du dir Inspiration?
Die musste ich nie suchen. Es gibt doch viel zu viel davon! Das Problem ist eher, daß man meistens keine Zeit hat, ihr nachzukommen.
Was können Comics, Cartoons und Illustrationen, was andere Medien nicht können?
Ob sie was bahnbrechend neues oder anderes können als Filme, Bücher, Musik etc. weiß ich nicht. Es gibt ja nur eine begrenzte Anzahl an Knöpfen, die man bei der menschlichen Sensorik drücken kann. Aber Comics und Cartoons können eben billig und von Einzelpersonen hergestellt werden. Sie sind sehr individuell, subjektiv und frei, wie Bücher. Aber anders als Bücher können sie, wenn sie gut sind, viel konkretere Bilder vermitteln, und sogar die Illusion von Bewegung und Sound. Diese Dinge kann sonst nur der Film, der aber selten das Werk eines Einzelnen und meistens voller Kompromisse ist. Ich glaube, Comics und Cartoons haben einen schönen Platz, wo sie das beste aus zwei Welten vereinen. Illustrationen sind wieder was anderes. Ich glaube, ihre Superpower ist vor allem, in Sekundenbruchteilen etwas sehr Konkretes zu kommunizieren oder eine sehr spezifische Atmosphäre zu vermitteln.
Dein schönstes/schlimmstes Erlebnis als Zeichner*in?
Fangen wir mal mit Schrecklich an: Mein erster Illustrationsjob war schrecklich! Das war noch vor der Kunstschule. Ich hatte damals Lymphdrüsenkrebs und war in Therapie in Dortmund. Die Chemo hatte ich bereits hinter mir, jetzt bekam ich alle paar Tage Bestrahlung. Mir ging es beschissen. Ein Bekannter wollte um die Ecke vom Krankenhaus einen Spieleladen eröffnen und bat mich, eine 8 Meter lange Wand mit Fantasyfiguren zu bemalen. Er bot mir ein super großzügiges Honorar an, für mich damals jedenfalls ein Heidengeld. Also ging ich täglich da hin und malte, obwohl ich gar nicht in der Verfassung dazu war, auf einer Leiter zu stehen. Wenn ich vorher bestrahlt worden war, kotzte ich mir zwischendurch noch die Seele aus dem Leib. Als ich nach ein paar Wochen fertig war, rückte der Bekannte damit heraus, daß er insolvent sei und hohe Schulden habe. Ich bekam also gar nichts. Den Laden eröffneten Andere, die den Mietvertrag übernommen hatten. Mein Bild wollten sie nicht kaufen, es stünde mir ja frei, es zu übermalen. Ich ließ es dran und sie behielten es einige Jahre, soweit ich weiß. Manchmal ist ein Verlust ja auch gut angelegtes Lehrgeld. Und aus dieser Lektion habe ich gleich mehrere Dinge gelernt. Da kommt kein Seminar mit :-D Das schönste Erlebnis ist schon schwieriger rauszupicken… Es gab zum Glück viele schöne Momente, und es werden hoffentlich auch noch mehr. Dieses Jahr habe ich erstmals im Leben ein paar Preise gewonnen, mit meinem im Alleingang animierten Musikvideo „Shots of Light“. Das war schon extrem erfreulich!
Kannst du den Satz: „Mir ist nicht egal, dass…“ vervollständigen?
Hm, die Liste mit Dingen, die mir egal sind, wäre viel kürzer! Aber immer noch zu lang, um sie aufzuschreiben.
Für dieses Projekt möchte ich gern Werbung machen:
Mein bisher einziges Comic-Album heißt „Seele aus dem Leib“ und handelt von den sehr guten Filmen des Action-Stars Cliff Steele. Bestellen kann man es bei Comic-Base-Berlin.de, es kostet nur 10 Euro, ist aber mindestens für 20 Euro toll. Bitte bitte kauft es, denn ich habe noch fast 100 Alben hier. Die müssen langsam weg! Meine Kinder lachen mich aus, wenn ich ihnen sage, sie sollen nicht so viel Zeug in die Regale stopfen. „Das sagt der Richtige!“
7AUF1STRICH wird derzeit mit Mitteln aus dem Stipendiatenprogramm von NEUSTART KULTUR gefördert. Herzlichen Dank! Aktuell gibt es wieder neue Stipendien, ich empfehle allen, die journalistische/kulturelle Projekte betreiben, sehr, es dort einmal zu versuchen. Mehhr Infos und Anmeldung via soziokultur.neustartkultur.de
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