7AUF1STRICH – das sind täglich 7 Fragen an Comic-Zeichner*innen und Illustrator*innen. Diesmal an: Stefanie Rausch.
Stefanie Rausch wurde 1968 in Friedrichshafen geboren und lebt und arbeitet in Hamburg.
Warum hast du angefangen zu zeichnen?
Damals – wir hatten ja nichts – kein Handy, kein pad, keinen Computer und Fernsehen war gerade mal eine Stunde am frühen Abend erlaubt. Was also tun, bei schlechtem Wetter oder Hausarrest? Comics lesen, Malen und Zeichnen lag da nahe. Scherz beiseite, ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich nicht gemalt oder gezeichnet habe. Seit frühester Kindheit bis heute ist es für mich eine Notwendigkeit wie Essen, Trinken, Schlafen …
Wie würdest du deinen Stil beschreiben?
Den eigenen Stil zu beschreiben finde ich gar nicht so einfach. Auch weil ich kreative Arbeit als ständige Entwicklung, Veränderung, als Suchen und Finden erlebe. Ich versuche es trotzdem einmal. Zunächst ist es vielleicht wichtig voran zu stellen, dass ich mich in „verschieden“ Bereichen herumtreibe, die sich überschneiden und ergänzen. Ich arbeite sowohl als „freie Künstlerin“, als auch als Illustratorin und hier in der Regel angewandter. Meine freien Arbeiten würde ich als figurativ expressiv bezeichnen. Arbeite ich „angewandter“ orientiere ich mich als Fan franko-belgischer Comics an der ligne claire. Gelingt mir aber nicht, weil ich dann wieder kritzel, es mit Schatten übertreibe oder z.B. eine Hand anatomisch verzeichne, diese aber so viel lustiger finde. Entsprechend ist es wohl eher eine ligne léger…
Welche Themen liegen dir besonders am Herzen?
Mich zieht es immer wieder zur figurativen Darstellung, überwiegend von Menschen. Menschliches Verhalten, Emotionen, etc. und infolge dessen Gesellschaft, das Miteinander (oder nicht Miteinander). Manchmal ist es der Charme einer alltäglichen Situation, das Zurückstreichen einer Locke, der Blick auf die Uhr… Manchmal geht es mir um unser Innerstes, psychische Prozesse. Manchmal geht es mir um Gesellschaftskritik, gelegentlich um Politik. Da ich sehr gerne intuitiv arbeite, bin ich oft selbst gespannt, welches Thema mir mein Unterbewusstsein, gespeicherte Beobachtungen, Erinnerungen, Erfahrungen nahe legt. Es ist eine Art Assoziationskarussell, aus dem ich dann aussteige, das Motiv festlege und konkretisiere. Seit einiger Zeit habe ich große Lust auf Räume und baue diese mehr und umfangreicher ein – mal sehen, was daraus wird.
Wie suchst du dir Inspiration?
Kurz nach meinem Schulabschluss habe ich etwa ein Jahr bei und mit der Künstlerin Ilse Fark studiert. Sie hat mir beigebracht, dass es darum geht auch (und unbedingt) in dem scheinbar Banalen, der alltäglichen Beobachtung das Besondere zu entdecken. Ilse Fark beteuerte und bekräftigte diese Haltung mehrmals mit der Erzählung, dass sie das Universum in einer Betonmischmaschine gesehen habe und zeigte mir ihre Bilder dazu. Nun, das Universum habe ich in einer Betonmischmaschine noch nicht entdeckt, aber ich schaue mich aufmerksam um, denn alles kann inspirieren, ob Mülleimer, Mammut oder Marmelade.
Was können Comics, Cartoons und Illustrationen, was andere Medien nicht können?
Ja, was? Comics, Cartoons, Illustrationen arbeiten häufig mit oder am Text und nehmen den Betrachter mit in die eigene Bildsichtweise, Interpretation. Es sind Medien, mit denen der Betrachter allein, in der Zweisamkeit des gezeichneten Moments, der Geschichte ist. Eine intimes Verhältnis. Dasselbe intime Verhältnis stellt aber auch Literatur, Musik, z.B. über den Kopfhörer, das Stück auf der Bühne, der Film im verdunkeln Kino und irgendwie auch die Serie im Pantoffelkino, etc. her. Also von den meisten anderen Medien unterscheiden sich Comics, Cartoons, Illustration meiner Meinung nach nur durch die Machart. Gemeinsam ist allen Medien, sind sie technisch gut, inhaltlich berührend, authentisch dann bewegen sie uns.
Dein schönstes/schlimmstes Erlebnis als Zeichner*in?
Mein schlimmstes Erlebnis ist auch mein schönstes Erlebnis. Als Teenager war ich eine Zeit lang Außenseiterin. Malerei und Zeichnung waren sowohl mein Halt, mein Ausdrucksmittel und meine (scheinbar einzige) Gabe, die mich auszeichnete und mir ab und an etwas Anerkennung meiner Mitschüler/innen verschaffte. Kurz, mein Selbstbewusstsein hing am Stift. Eines Tages, auf der Suche nach Tim-und-Struppi-Comics im Zimmer meines jüngeren Bruders, habe ich Zeichnungen von ihm entdeckt, die er (vor mir) versteckt hatte. Diese Zeichnungen waren wow – viel besser als das, was ich zu jener Zeit konnte. Ich war neidisch, beschämt, fühlte mich haltlos. Soviel zu dem Schlimmen … Wie so häufig in diesem Alter hatten wir Geschwister öfter Zoff. Umso mehr berührte mich die Erkenntnis, wie liebevoll und einfühlsam es war, diese Zeichnungen vor mir zu verbergen. Welche schöne Geste, mir meinen „Status“ als „ Künstlerin“ nicht streitig machen zu wollen, zu spüren, wie wichtig das für mich war. Noch am selben Tag habe ich meinen Bruder auf seine Arbeiten angesprochen, ihm gesagt, wie klasse die Zeichnungen sind. Wir haben uns eingestanden, das wir uns schon sehr mögen und besprochen, dass wir nichts voreinander verstecken müssen, um den anderen zu schützen (weiter gestritten haben wir natürlich trotzdem:-)). Mir wurde klar, Kunst ist alles aber nicht alles, wenn man einen saucoolen Bruder hat. Übrigens habe ich aus dieser Erfahrung schon sehr früh gelernt, dass man nur der/die Künstler/in sein kann, der/die man ist. Dass es um den eigenen, authentischen, unverwechselbaren Weg geht und dass man ein Leben lang dafür lernt und daran arbeitet. Und dass es genau aus diesem Grund komplett überflüssig, anstrengend und unnötig deprimierend ist sich mit anderen Künstler/innen in Kategorien wie besser oder schlechter zu messen. Hat man das einmal geschnallt, kann man die Kunst anderer vorbehaltlos genießen und bewundern.
Kannst du den Satz: „Mir ist nicht egal, dass…“ vervollständigen?
Boah! Mich regt soviel auf, es würde ewig dauern, das aufzulisten… Ein paar Beispiele sind die Ignoranz der Politik gegenüber dem Klimawandel natürlich, unser unmenschliches Verhalten und damit Verbrechen an Flüchtlingen, allgegenwärtiger und alltäglicher Rassismus, Faschismus, genau wie Sexismus… Als lesbische Frau bin ich erschüttert, wie schlecht, bzw. rückschrittlich es um die Gleichstellung und den Schutz der LGBTQIA+ Community steht. In meinem Beruf ist es mir nicht egal, das manche Kunden/innen nach wie vor über realistische Preise diskutieren. Immer noch gibt es die Haltung, Künstler/innen und Illustratoren/innen haben ja quasi ihr Hobby zum Beruf gemacht (was ja auch egal ist, auf die Qualität kommt es an). Dass Leidenschaft, Berufung, Können deswegen häufig nicht anständig bezahlt werden, ist einfach nur unfassbar. Für Frauen in diesen Berufen wünsche ich mir endlich mehr Raum und damit Präsenz. Es ist eine männerdominierte Welt, in der es wenige Künstlerinnen schaffen dauerhaft Fuß zu fassen.
Für dieses Projekt möchte ich gerne Werbung machen:
In Sachen Eigenwerbung freue ich mich auf meine Website, die Ende des Jahres (hoffentlich) online sein wird und würde mich riesig freuen, wenn die eine oder der andere dann dort einmal vorbeischaut. Ansonsten gibt es unzählige Projekte, für die ich gerne Werbung machen würde – sei es global oder lokal. Stellvertretend und aktuell möchte ich hier eines nennen, das akut Hilfe zum Überleben benötigt und zwar die Millerntor Gallery (@millerntorgallery) in Hamburg. Die Millerntor Gallery (initiiert von Viva con Agua de St. Pauli e.V. und dem FC Sankt Pauli) ist ein internationales Kunst-, Musik und Kulturfestival. Unter dem Motto „ART CREATES WATER“ werden Spenden gesammelt und auch das gesellschaftliches Engagement der Besucher/innen kreativ „angeregt“.
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