SIEBEN AUF EINEN STRICH – das sind täglich 7 Fragen an Comic-Zeichner*innen und Illustrator*innen. Diesmal an: Birgit Weyhe
Birgit Weyhe wurde 1969 in München geboren.
Warum hast du angefangen zu zeichnen?
Weil ich noch nicht schreiben konnte. Zeichnet nicht jeder Mensch erst einmal?
Wie würdest du deinen Stil beschreiben?
Grafisch, manchmal abstrakt, sehr reduziert.
Welche Themen liegen dir besonders am Herzen?
Gesellschaftlich relevante Themen. Momentan geht es für mich viel um Identität und Heimat. Ein Begriff, der auf schreckliche Weise wieder Konjunktur hat. Damit einher schreitet leider oft Ausgrenzung und Engstirnigkeit. Ein weiters wichtiges Thema ist für mich Emanzipation im weitesten Sinne und konkreter geht es für mich momentan um eine Auseinandersetzung mit Gender.
Wie suchst du dir Inspiration?
Die kommt irgendwie immer ungefragt daher. Ich habe ja noch nicht einmal vorgehabt Comiczeichnerin zu werden. Und irgendwie ist es dann passiert. Aber natürlich gehe ich auch oft ins Museum, lese sehr, sehr viel und bin Theatergängerin. Außerdem sind mir Reisen wichtig. Wenn der Kontext neu und ungewiss ist, lerne ich viel über mich und werde auch im Kopf offen.
Was können Comics, Cartoons und Illustrationen, was andere Medien nicht können?
Jedes Medium hat seine Stärken und Schwächen. Ich finde nicht, dass eine Hierarchisierung nötig ist. Was ich an Comics mag, dass es die Überlagerung und Ergänzung von Text und Bild gibt und dennoch Raum für Abstraktion bleibt.
Dein schönstes/schlimmstes Erlebnis als Zeichner*in?
Mein schönstes Erlebnis hatte ich vor acht oder neun Jahren während eines Workshops in Argentinien. Ich habe eine Gruppe ZeichnerInnen unterrichtet und sie sollten sich zu Hause einen persönlichen Gegenstand suchen, um damit eine Geschichte erzählen. Ein junger Mann brachte daraufhin ganz aufgeregt einen Schachtel Briefe mit, die er gefunden hatte. Die Briefe seiner Mutter an ihre Eltern aus dem Gefängnis, während der Militärdiktatur. Er wußte gar nicht, dass sie überhaupt im Gefängnis war und dass seine Großeltern, selbst Militärs, sich geweigert hatten ihr zu helfen. Bei der Ausstellung der Arbeiten umarmte mich die tränenüberströmte Mutter und dankte mir, dass sie durch diese Fügung zum ersten mal nach so vielen Jahren über diese Zeit sprechen, sich den Fragen des Sohnes stellen musste und dies als große Befreiung empfand. Schließlich haben wir alle drei geweint und viel Rotwein dazu getrunken.
Kannst du den Satz: „Mir ist nicht egal, dass…“ vervollständigen?
Mir ist nicht egal, dass es weltweit einen starken Rechtsruck gibt, dass Rassismus und Ausgrenzung wieder salonfähig werden, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird, dass wir im globalen Norden noch immer auf Kosten des globalen Südens leben, dass wir den Klimawandel ignorieren, dass Menschen nicht gleichberechtigt sind.
Für dieses Projekt möchte ich gerne Werbung machen:
Ich möchte für das ↦Zeichnerinnen-Kollektiv „SPRING“ und die nächste Ausgabe davon Werbung machen: SEX, Spring #16. Die Ausstellung dazu gibt es im September 2019 auf dem ↦Hamburger Comicfestival im Frappant.
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