ASTERIX UND DER GREIF

„Asterix und der Greif“ von Jean-Yves Ferri (Text) und Didier Conrad (Zeichnungen) – eine persönliche Comic-Rezension von 7AUF1STRICH

Alle Querdenker, die sich die widerständigen Gallier als Vorbild für ihren Kampf gegen den Staat auserkoren haben, müssen jetzt ganz tapfer sein: Denn es sind nicht etwa die heldenhaften Gallier, sondern die dem Schurkenlager zuzurechnenden Römer, die im neuesten „Asterix“-Band („und der Greif“) von Ferri und Conrad munter vor sich hin schwurbeln dürfen.

„Ich fand es schon immer verdächtig, dass die Sonne jeden Morgen im Osten aufgeht!“

„Das ist wahr, Fakenius!“

„Und wo hat die Sonne davor gestreckt, ha?“


„Das kann uns keiner erklären!“


„Zufall?“

Cäsar hat also vom Greifen erfahren, ein mythisches Wesen, das sich angeblich im östlichen Barbaricum, im Gebiet der Sarmaten (das heutige Russland), herumtreibt, und hätte es gern als maximale Zirkusattraktion. Sodann wird eine Expedition losgeschickt, an der Spitze ein frustrierter römischer Wissenschaftler, der an der Ungebildetheit seines Zenturios und dessen Truppen verzweifelt, die sich schon am „Rand der Welt“ wähnen.

„Meine Götter! Zenturio, erkläre diesem analphabetischen Großwildjäger, dass die Erde nicht flach ist, sondern rund!“

„Pah! Rund oder flach. Hauptsache der Riese Atlas lässt sie nicht von seinem Rücken kullern.“

Weil der sarmatische Schamane nach Befragung seines Trommelorakels von der drohenden Gefahr Wind bekommt, ruft er kurz per Traumferncall bei Kollege Miraculix durch. Wenig später also stapfen die berühmtesten Gallier seit Vercingetorix durch die russische Schneelandschaft. Dummerweise friert unterwegs nicht nur der Zaubertrank ein, es befindet sich auch eine eiskühle Sarmatin als Geisel bei den Römern, weswegen Asterix statt auf frontaler Attacke lieber auf List setzt. Zum deutlichen Missfallen der übrigen Sarmatinnen übrigens, die den Römern lieber früher als später den Podex versohlen wollen.

Mehr Worten sollen an dieser Stelle nicht zum Inhalt dieses durch und durch lesenswerten Bandes verloren werden, der diesmal übrigens wieder weniger auf popkulturelle Ereignisse und Personen anspielt als auf aktuelle gesamtgesellschaftliche Entwicklungen. Der Klischeeswitch Männer-Frauen, der schon in den letzten Alben des neuen Zeichner-Duos anklang, wird in diesem Album weiter auf die Spitze getrieben, wenn die männlichen Sarmaten beim gemeinsamen Festmahl zum Abwasch abkommandiert werden und die Sarmaten-äh-Häuptlingin einem baffen Asterix gegenüber konstatiert:

„Krieg ist nun mal Frauensache!“

Also, beim Belenus, alles schön dem Zeitgeist angepasst, höre ich schon einen Teil der klassischen Leserschaft grummeln? Jein. Natürlich kriegen die Römer weiterhin auf den Latz, natürlich bestraft Obelix Anspielungen auf sein Gewicht weiter mit eher schlagkräftigen Argumenten. Und natürlich bleiben die Gallier vom Charakter her sie selbst; es ist stattdessen ihre Interaktion mit einem andersdenkenden Umfeld, das Spannung und Aha-Momente erzeugt und die Asterix-Reihe so im 21. Jahrhundert ankommen lässt.

Trotzdem lassen es sich Ferri und sein deutscher Übersetzer nicht nehmen, bisweilen auch mal ins andere Lager auszuteilen, etwa wenn sich der störrische Obelix eher skeptisch gegenüber der sarmatischen Milchvariante zeigt:

„Ich will ja nicht intolerant sein, aber ihre Stutenmilch…“

Oder wenn Obelix denkt, diplomatische Immunität sei nur ein Euphemismus für Römer verkloppen, und daraufhin fragt: „Wir immunisieren niemandem?“ Asterix‘ Antwort „Nein, zu große Nebenwirkungen für die Geisel!” und die Anspielungen zum Abstandhalten im undurchdringlichen Nebel, dürften vielleicht sogar den impfskeptischen Lesern ein kurzes Lächeln über das Gesicht huschen lassen.

Austeilen nach allen Seiten – darin waren die Gallier eben schon immer gut.


© Titel: Egmont Ehapa Media GmbH; Text (Rezension): Jens Wiesner

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