ANNA ROSA RUPP

SIEBEN AUF EINEN STRICH – das sind täglich 7 Fragen an Comic-Zeichner*innen und Illustrator*innen. Diesmal an: Anna Rosa Rupp

Anna Rosa Rupp wurde 1990 in Heidelberg geboren und lebt und arbeitet in Bremen.

Warum hast du angefangen zu zeichnen?

Darüber denke ich auch immer wieder nach. Aber vor allem auch, warum ich es nicht sein lassen kann. Der Anfang war vielleicht gar nicht so entscheidend, da wir meiner Meinung nach allemal auf eine zumindest beiläufige Art gezeichnet haben — viel interessanter könnten die Momente sein, wann es zu der Entscheidung kommt, sich dem mehr hinzugeben und sich den immer wiederkehrenden Spannungen und Hürden zu stellen und weiter zu machen. Womöglich hat dann das Dranbleiben mehr mit einem Bewusstsein zu tun, als mit dem unbewussten Anfang. In der Entscheidung zeigt sich die Auseinandersetzung und Haltung zu Zeichnung. Demnach kann ich die Antwort nicht mit einem einfachen „weil es mir Spaß macht“ beantworten, denn es ist irgendwie mehr. Es hat etwas damit zu tun, dass das Entwerfen und Entwickeln von „Bildern“ mich anzieht und festhält. Und mit jedem Bild, mit jedem Versuch einer Sache nahe zu kommen auf ein weitere Möglichkeit des Darstellens hinweist und sich deswegen der gesamte Prozess von selbst am Laufen hält. Demnach habe ich vielleicht einfach nie aufgehört.

Wie würdest du deinen Stil beschreiben?

Von meiner Perspektive aus empfinde ich meinen Stil nicht als etwas Eindeutiges. Immer wieder frage ich mich aber auch, wo die Wiedererkennung im Sinne eines Stils zu finden ist. Und ich gebe zu, dass mich diese Uneindeutigkeit verunsichern kann. Gerade in Hinblick auf den „Wiedererkennungswert“ in der Illustrations-Szene. Auf einer Seite wünschte ich, ich könnte ihn halten, die Entscheidung treffen, bei einer Sache zu bleiben. Jedoch zieht es mich immer wieder dahin, Techniken kennen zu lernen, mit denen eine bestimmte Erzählung in Gang gesetzt wird. Der Stil könnte sich dann durch eine Stimmung, einen Duktus, eine Haltung dahinter zeigen. Eine Aneinanderkettung von Versuchen, einer Idee auf die Spur zu kommen. Interessanterweise habe ich aufgehört, nach einem Stil zu suchen, seit ich akzeptiert habe, dass der Stil sich findet: Es scheint mir eher, der Stil kommt durch eine ständiges Dranbleiben und Wiederholen an die Oberfläche, indem man sich für bestimmte Werkzeuge / Techniken entscheidet und sein Feingefühl dafür schärft. Die Techniken, die mir vertraut sind, fangen zunächst mit dem Umgang mit der Linie an, mit dem Bleistift schnell und impulsiv etwas festzuhalten, die Form im Verhältnis zum Format kompositorisch einzupassen. Dabei spielen Verhältnisse von Details und Flächen eine Rolle, Strukturen und Farben, Hell und Dunkel, Kontraste. Damit verbunden setze ich dann auch mal Gouache mit dem Pinsel ein, um über die Fläche Plastizität zu erzeugen. Hier knüpft sich dann die Frage für mich an, wo hört Zeichnung auf und wo fängt Malerei an? In der Druckgrafik geht es mir neben der Schichtung von Farbe, viel um Komposition und einen Moment der Kontrolllosigkeit durch den Prozess.

Welche Themen liegen dir besonders am Herzen?

Auf das Zeichnerische bezogen, liegt mir das Verhältnis von Denken und Machen am Herzen. Das bedeutet, mit welchen Vorstellungen fange ich an und wo treten Widerstände auf, und wie gehe ich dann damit um? Dieses Thema hat sich in den letzten Jahren sogar zu einer eigenständigen Auseinandersetzung entwickelt, welches ich auch regelmäßig schriftlich festhalte. Ich stand viel mit mir selbst im Kampf beim Entwickeln von Bildern, sodass ich lange Zeit zu unzufrieden, fast wie blockiert war, um überhaupt mit einer Leichtigkeit an diese lustvolle Tätigkeit zu gehen. Wenn man sich mit diesem Schwanken selbst allerdings auseinandersetzt, sind diese scheinbar widersprüchlichen Dynamiken eigentlich Teil des kreatives Prozesses, bei dem es letztendlich auch viel darum geht dem zu folgen, was auch außerhalb der eigenen Kontrolle passiert. Die Lust kann einem helfen aufmerksam zu bleiben für Zufälle und dem Ding näher zu kommen, was man dann als „stimmig“ empfindet. Also letztendlich weiterführend gedacht, interessiere ich mich thematisch dafür, wie das Denken und das Machen als etwas Einheitliches funktionieren kann. Das Denken, das sich an dem Vorgefunden reibt und das Machen, das von dem Denken nicht bewertet werden will. Dieses Aushandeln ist ein stetiges Fortführen. Weswegen ich auch nicht aufhören kann.

Wie suchst du dir Inspiration?

Inspiration ist in meinem Verständnis ein In-Stimmung-Sein, ein Motiviert-Sein. Sie ist weniger thematisch gebunden, dass ich eine Idee, ein Thema aufschnappe und das dann umsetze. Für mich habe ich entdeckt, dass Ideen durch das Machen kommen, durch das Arbeiten mit Materialien, Farben usw., die mich anregen zu experimentieren um etwas herauszufinden (wie z. B. durch Farben und Flächen Plastizität herzustellen). In diesem Moment bin ich dann womöglich erstmal weit weg von „Illustration“. Doch schöpfe ich hauptsächlich aus diesen Momenten, wenn es dann später darum geht etwas Konkretes darzustellen, da ich auch viel versuche über die Stimmungen etwas Erzählerisches zu erzeugen. Suchen würde ich die Inspiration dann an Orten zu arbeiten, wo eine anregende Stimmung herrscht, beispielsweise durch Räumlichkeit, Umgebung, Kontext, Menschen, etc., die mich bestenfalls ansteckt. Ich weiß, dass ich in einer Stimmung, in einem Schwung, in einer Konzentration sein muss, dass die Lust, die Aufmerksamkeit da ist. Da mir das Thema des Wie-komme-ich-ins-Machen sehr nahe liegt, inspirieren mich auch Menschen, die mit Leichtigkeit, Überzeugung und gleichzeitig einer Dringlichkeit an ihre Arbeit gehen. Wahrscheinlich kommt es auch daher, dass mich besonders auch Bilder inspirieren können, die mit solch einer Haltung von Einfachheit eine gewisse „Trefflichkeit“ darstellen können, die gleichzeitig zeigen, dass es gar nicht viel braucht um zum Punkt zu kommen. Ich finde es grundsätzlich anregend zu sehen, mit wie wenigen Mitteln, man viel erreichen kann. Manche Dinge sind so naheliegend. Und Zufälle können mich dabei auch inspirieren.

Was können Comics, Cartoons und Illustrationen, was andere Medien nicht können?

Das finde ich gar nicht mal so leicht zu beantworten, da andere Medien in der Beschreibung einiges gemein haben könnten. Ich würde schätzen, Bilder an sich können etwas Unsprachliches zur Sprache bringen – ähnlich wie Musik – bevor es in reinen Begriffen gefangen werden kann. Denn Sprache ist nach der Struktur her, erstmal, wenn man sie nicht als „Kunstform“ einsetzt, etwas Reduzierendes und Verallgemeinerndes zugleich. Also können sie etwas Vorsprachliches, Zeigendes, Öffnendes haben, wogegen beispielsweise Sprache und Begriffe Interpretationsräume anders füllen und vorgeben. Sie können auf eigensinnige Art poetisch sein, zeitlos sein, Kontextabhängig mit unterschiedlicher Bedeutung angehängt werden. Es ist offener, im Sinne von weniger „Wissen“ notwendig um Zugang zu bekommen, da es über das Visuelle auch abstrakt, aus sich selbst heraus erzählen kann. Und natürlich impulshaft direkter am Verstehen dran ist, da es keine weitere Vermittlung braucht. Somit können sie komplexe Zusammenhänge auf abstrahierte Art zugänglicher machen, weil die Wahrnehmung eher gleichzeitig abläuft, als dass man sich durch etwas „hindurcharbeiten“ muss. Selbstverständlich, unterscheidet sich die Art und Weise wie sie erstellt werden von anderen Medien, da es meist nicht viel braucht, und trotzdem kann schon viel erzählt werden. Ich denke es ist genau diese Unmittelbarkeit vom Zugang wie auch vom Herstellen, welche mich im Vergleich zu anderen Medien an Bilder bindet.

Dein schönstes/schlimmstes Erlebnis als Zeichner*in?

Das schönste Erlebnis war die Zeit in meiner Abschlussarbeit, in der ich mich intensiv mit dem oben beschrieben Thema auseinandersetzen konnte. Es hat mir tatsächlich gezeigt, dass ich dem Prozess vertrauen kann, dass es mich, auch wenn ungewiss, wohin bringt und dass es letztendlich darum geht, es einfach zu machen! Die unangenehmeren Erlebnisse waren eher in der Zeit, als ich sehr verunsichert war und gezweifelt habe, ob ich mit dieser Tätigkeit sozusagen einen Platz in der Welt finde, kein Verständnis bekomme, es irgendwie sinnlos ist überhaupt künstlerisch tätig zu sein. Ich bin nicht mit einer Selbstverständlichkeit aufgewachsen „Kunst“ zu machen und das hat mir viele zweiflerische, verwirrte Phasen gebracht. Zu schreiben, eine Sprache und Formulierungen zu finden, haben mir auf jeden Fall dabei geholfen. Mir nun ein mit der Zeit gewachsenes Selbst-Verständnis aufrecht zu erhalten ist nicht leicht, aber ich denke es geht in dieser Tätigkeit auch darum, es immer wieder zu aktualisieren und sich zu verordnen.

Kannst du den Satz: „Mir ist nicht egal, dass…“ vervollständigen?

Mir ist nicht egal, wenn ich gerade beim Thema bleibe, wie sehr Kreativität nicht nur mit rein künstlerischer Tätigkeit zu tun hat und demnach nicht nur den Kunstschaffenden zuzuordnen ist. Ich beobachte und finde es schade, dass sich viele sich selbst als unbegabt und demnach unkreativ sehen. Dabei ist die Frage, wie beides zusammen kommt und wie dieses Selbstbild zustande kommt. Hat Kreativität etwas mit Richtig und Falsch zu tun? Wie weit ist eine „gute“ Zeichnung eine „richtige“ Zeichnung? Warum ist eine Zeichnung von einer Lampe oder einer Pflanze reich, obwohl sie eine Reduktion davon ist? Mit welcher Vorstellung von Richtigkeit gehen wir mit uns selbst um, wenn wir unseren erdachten Ideen Ausdruck verleihen? Wie geht das Denken mit Kontrolllosigkeit, mit Zufall, mit Unerwünschtem um?

Website: annarosarupp.de
Tumblr: diedenkendehand.tumblr.com
Instagram:   @annrosa_

Anna Rosa Rupp: Illustration
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