SIEBEN AUF EINEN STRICH – das sind täglich 7 Fragen an Comic-Zeichner*innen und Illustrator*innen. Diesmal an: Andrea Köster.
Andrea Köster wurde 1984 in Stralsund geboren und lebt und arbeitet in Rostock.
Warum hast du angefangen zu zeichnen?
Ich habe einfach nie richtig aufgehört. Wenn ich als Dozentin arbeite, stelle ich zuerst die Frage: „Wer von euch hat als Kind einfach einen Stift in die Hand genommen und losgezeichnet?“ Da gehen 95% der Hände nach oben, und ich glaube, es ist einfach ein Grundbedürfnis der meisten Menschen sich zeichnerisch auszudrücken und auszuprobieren. Die Wenigsten bleiben dann dabei, was viel mit Meinungen der erwachsenen Bezugspersonen, Erwartungen und gesellschaftlichem Leistungsdruck zusammenhängt. („Du darfst nicht über die Linien malen!“, „Ein Pferd hat viel längere Beine!“, „Damit kann man kein Geld verdienen…“, „Du kriegst eine 4, weil der Schwanz der Katze doch geringelt sein sollte!“ etc. etc.) Ich hatte das Glück, dass ich darin eher bestätigt, statt gebremst wurde und schon im Kindergarten Bilder für andere Kinder gezeichnet habe. Irgendwann war klar: Ich kann und möchte nichts anderes machen und damit auch mein Geld verdienen. Dann ging der harte Weg los, aber es hat sich gelohnt, weil ich jeden Tag mache, was ich liebe und davon leben kann.
Wie würdest du deinen Stil beschreiben?
Meistens, vor allem für Projekte, sind meine Illustrationen sehr charmant und verspielt. Es gibt oft kleine versteckte Anekdoten, irgendwie fließt, flattert oder fliegt immer etwas durch die Gegend. Innerhalb dieses Rahmens probiere ich mich aber viel aus. Von detaillierten, bunten Wuselbildern bis hin zu abstrakten, vereinfachten Formen mit wenig Farben ist alles dabei. Momentan möchte ich mein Spektrum, für das Erzählen von Geschichten, in eine etwas „schmuddeligere“, ernstere, unkorrekte und noch abstraktere Richtung entwickeln. Ich probiere da gerade sehr viel herum und versuche auch erarbeitete Gewohnheiten wieder bewusst zu verlernen.
Welche Themen liegen dir besonders am Herzen?
Momentan arbeite ich vor allem und am liebsten für Unternehmen und Institutionen, die eine klar pro-demokratische, humanistische Haltung proklamieren, sich politisch eher linksliberal positionieren, was Menschenrechte, Konsum, Ökologie und die faire Behandlung von Arbeiter*innen und Minderheiten angeht. Ich glaube an den Beuys’schen Gedaken, dass wir alle Verantwortung zur Mitgestaltung unserer Gesellschaft haben – jederzeit. Auch wenn es am Zeichentisch bei mir zu Hause passiert, kann ich mich für oder gegen bestimmte Themen und deren Darstellung entscheiden. Ich möchte in einer progressiven, diversen und interkulturellen Gesellschaft leben und das drückt sich eben auch darin aus, für wen ich arbeite oder eben nicht arbeite. Bei unkommerziellen, eigenen Projekten reizt mich gerade das Alltägliche und die Absurdität kleiner Momente. Fragmente eigener Gedanken und Erlebnisse zu visualisieren macht totalen Spaß. Wenn es auch eine echte Hürde sein kann von sich zu erzählen. Irgendwie machst du dich ja immer ein wenig nackig dabei. Diese splitterhafte, persönliche und autobiographische Erzählweise ist aber auch das, was mich an Arbeiten anderer Illustrator*innen, Autro*innen und Comiczeichner*innen am meisten bewegt (ich liebe Nando van Arps Graphic Novel „Drei Väter“ abgöttisch genau dafür). Erzähle ich authentisch und ehrlich von mir selbst, dann gibt es immer die riesige Chance, dass ein anderer Mensch sich darin erkannt und gesehen fühlt und das ist einfach das Wunderbarste überhaupt.
Wie suchst du dir Inspiration?
Ich habe meistens ein Notiz- und ein Skizzenbuchbuch in meiner Nähe. In meinem Kopf wimmelt es nur so von Assoziationsketten. Während ich mit Freunden unterwegs bin, Menschen beobachte, Unterhaltungen führe oder lausche, passieren manchmal die spannendsten Situationen oder Dialoge. Ich notiere dann kleine Teile davon, ohne die Absicht, dass daraus was werden muss. Darauf greife ich dann bei Gelegenheit zurück. Bei Jobs und vorgegebenen Themen arbeite ich im ersten Schritt viel mit Worten und Metaphern. Ich liebe Sprache und ich fordere mich gerne selbst mit „anstrengender“ Literatur heraus, weil ich merke wie viele überraschende Ideen durch Wortgewandtheit und Schlagfertigkeit entstehen. Selbst, wenn man den Illustrationen das vielleicht nicht ansieht, schwingt das im Prozess bei mir total mit und ist essenziell dafür, dass überhaupt etwas entsteht. Ich liebe Irritation und ich liebe es zwei vermeintlich nicht zusammenhängende Themen miteinander zu kombinieren. Beispielsweise war das 50. Jubiläum der deutschen Tiefkühlpizza der Anlass einen einseitigen Comic zu machen, der persönliche Erlebnissen meiner letzten Monate mit dieser eher banalen Thematik zusammenbringt.
Was können Comics, Cartoons und Illustrationen, was andere Medien nicht können?
Wir denken unglaublich visuell, obwohl wir das gar nicht bewusst merken. Wir sind ständig umgeben von Bildern und Symbolen, die wir (manchmal unterschiedlich), aber tatsächlich interpretieren und verstehen können! Was hat die abstrakte Form eines Herzens mit dem Gefühl von Liebe zu tun? Gar nichts – aber es gibt diesen Konsens darüber und das funktioniert! Ich finde das so dermaßen faszinierend… mit ein paar Strichen kann ich eine Figur darstellen, die fröhliche Stimmung erzeugt. Verändere ich nur einen Strich, dann kann sich die ganze Interpretation der Figur durch die Betrachter*innen verändern. Das ist doch einfach Wahnsinn! Ich finde es darüber hinaus wunderbar durch Illustration komplexe Sachverhalte zu vereinfachen und für eine breitere Masse interessanter und zugänglicher zu machen. Illustration hat für mich immer etwas von einer richtig guten Assistenz. Sie ist nicht die graue Eminenz im Hintergrund, sondern die bunte Assistenz im Vordergrund. Sie kann ein Thema, beleben, oder torpediert es komplett, verschiebt es in mehrere Richtungen, macht es sichtbarer, oder verständlicher. Comics wiederum sind für mich die wunderbare Mischform aus Film und Buch. Sie zwingt die visuellen Vorstellungen der Leser*innen zwar in einen engeren Raum, als ein Buch, lässt ihnen aber die Freiheit so lange und so oft in einem Bild, einer Situation oder einem Dialog zu verweilen, wie sie möchten. Daraus ergeben sich ganz andere Metaebenen und Möglichkeiten Geschichten zu erzählen und aufzunehmen.
Dein schönstes/schlimmstes Erlebnis als Zeichner*in?
Das Schlimmste ist wohl dieser unsichtbare Kampf gegen die inneren Blockaden. Das ist das, was Menschen in anderen Berufen wohl am wenigsten verstehen. Das soll keinesfalls Gejammere sein, aber die künstlerische Auseinandersetzung mit Themen, ist gleichzeitig auch oft die Auseinandersetzung mit uns selbst und das kann streckenweise unglaublich anstrengend sein. Zeigst du deine Arbeit der Welt ist das immer ein sehr persönlicher und verletztlicher Moment. Ich (und viele befreundete Künstler*innen) kommen da immer wieder an Schichten und Anteile der eigenen Persönlichkeit, die wirklich lähmend und deprimierend sein können. Die Entscheidung von einem künstlerischen Beruf leben zu wollen ist immer eine unglaublich mutige Entscheidung. Auch wenn es nach Außen hin so wirkt, als würden wir einfach lustige Bilder dahinkrakeln, kann unter Umständen ein richtiger Kampf dahinter stecken. Das Schönste für mich ist, genau das in den vergangenen Jahren immer mehr zu lösen und mich selbst dadurch auch besser zu verstehen. Das ist ein unglaubliches Glücksgefühl und ich kann mir momentan keinen erfüllenderen Beruf vorstellen <3
Kannst du den Satz: „Mir ist nicht egal, dass…“ vervollständigen?
Mir ist nicht egal, dass ich mich trotz energischer Haltung oft machtlos fühle mit meinem kleinen Stift, wenn es um gesellschaftliche Radikalisierung, Ausbeutung von Menschen, Tieren und Natur geht. Dann frage ich mich manchmal doch, ob mein Beruf relevant ist. Manches lässt sich leider nicht einfach wegradieren. Strg+Z oder „Kopie speichern unter…“ gibt es auch nicht, wäre aber oft praktisch.
Für dieses Projekt möchte ich gerne Werbung machen:
Ich arbeite seit ein paar Monaten für die dufte, dufte Redaktion von KATAPULT. Die haben, zusätzlich zu ihrem tollen Magazin, vor kurzem einen Verlag in Greifswald gegründet, machen permanent und rotzfrech alles anders, als empfohlen und haben, wahrscheinlich wegen ihrer goldenen Robin-Hood-Herzchen, ganz schön Erfolg damit. Die pieken provokativ in Wunden, klären auf, schaffen Diskussionen und sind dabei auch noch wunderbar satirisch und unterhaltsam. Es ist sehr sinnvoll, die mit einem Abo zu unterstützen und den Verlag im Auge zu behalten, denn da wird in der nächsten Zeit ganz schön viel passieren. Zum Beispiel ein Buch über die aufregende Entstehungsgeschichte des Magazins, für das ich ordentlich Illustrationen geschrubbt habe in den letzten Monaten :) Was mir noch wichtig ist: Wenn euch Künstler*innen (z.B. auf Instagram) gefallen, dann unterstützt ihre Arbeit, indem ihr sie Leuten empfehlt für Jobs, oder indem ihr Prints und Comics von ihnen kauft, oder eben ein paar Euro an Seiten wie diese hier überweist. Damit ihr beim Swipen gute Gefühle in den Glubschäuglein bekommt, arbeiten ganz viele dieser Menschen wirklich hart (wenn auch eher innerlich, statt körperlich) :-*
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