SIEBEN AUF EINEN STRICH – das sind täglich 7 Fragen an Comic-Zeichner*innen und Illustrator*innen. Diesmal an: Jennifer Wünnecke.
Jennifer Wünnecke wurde 1993 in Lüneburg geboren und lebt und arbeitet in Berlin.
Warum hast du angefangen zu zeichnen?
Zeichnen war für mich immer ein Ausdruck von Begeisterung. Es hat mir nicht gereicht, eine Serie oder einen Comic toll zu finden, ich wollte dies auf dem Papier ausdrücken. Ich zeichnete zahllose Fancharaktere und dachte mir Geschichten über ihre tragische Vergangenheit aus und warum sie ganz besonders wichtig und cool waren. Als Teenager wurden Zeichnungen dann ein Weg für mich, Situationen fiktiv auszutesten und zu sehen, wer ich überhaupt war. Dabei entstanden auch meine ersten Comics. So waren Zeichnen, Selbstausdruck und das Erzählen von Geschichten für mich immer eng verknüpft.
Wie würdest du deinen Stil beschreiben?
Mein Stil ist ein wilder Mischmasch aus den Dingen, die mich inspiriert haben. Das sind vor allem amerikanische Comics über Männer in Strumpfhosen, Manga aus meiner Jugend und Cartoons. Stilistisch pendele ich zwischen diesen verschiedenen Einflüssen hin und her, wobei ich besonders großen Wert auf den Umgang mit schwarzer Tinte lege. Eine Menge davon.
Welche Themen liegen dir besonders am Herzen?
Das Hauptthema meiner Arbeit ist die Suche nach Identität, häufig unter sehr widrigen Umständen. Unser Begriff von Normalität ist dehnbar. Das haben wir alle in den letzten Jahren schmerzhaft erfahren. Unsere Umwelt prägt uns und meine Comics beschäftigen sich mit der Frage, wie wir an uns selbst festhalten, wenn die Welt es uns sehr schwer macht. In meinem Comic „The Machinist“ verlieren sich die Charaktere in Gewalt, sie haben von der Welt um sie herum nichts Anderes gelernt. Aber auch sie erleben Momente der Freude in ihrer Version von Normalität und es ist nicht schwer sich vorzustellen, wie sie in einer anderen Welt hätten sein können. Dieser Kampf um das eigene Selbst ist, was mich besonders fasziniert.
Wie suchst du dir Inspiration?
Inspiration finde ich überall. Einerseits in den Werken anderer Künstler. Wenn ich nicht gerade Filme schaue oder Comics lese, lese ich Analysen zu ebendiesen Werken. Und je mehr ich über Storytelling und Kunst lerne, desto mehr eigene Ideen habe ich auch. Andererseits bietet das Leben selbst unzählige Themen, die mich beschäftigen und die ich dann in meiner Kunst umsetzen will. Sollte mich ein gesellschaftliches Thema gerade besonders interessieren, ist die Chance hoch, dass es irgendwann auch in meinen Comics auftaucht.
Was können Comics, Cartoons und Illustrationen, was andere Medien nicht können?
Comics sind so wunderbar, weil man mit ihnen alles machen kann. Man kann fremde Welten schaffen oder aber den schnöden Alltag in ein ganz neues Licht rücken. Ein Panel kann einen Augenblick ausdrücken oder hunderte von Jahren. Oder man schafft eine Bildfolge, die sich komplett zeitlos anfühlt, die Möglichkeiten sind grenzenlos! Und das Verrückte: Es fühlt sich beim Lesen vollkommen natürlich an.
Dein schönstes/schlimmstes Erlebnis als Zeichner*in?
Mein schönstes Erlebnis war das Ankommen auf dem Renate-Stammtisch hier in Berlin. Das ist weniger ein Erlebnis als viele Ereignisse, die zu noch mehr schönen Ereignissen geführt haben. Ich fühle mich in unserer kleinen Comic-Szene unglaublich wohl und habe Unterstützung erfahren, die ich so nie erwartet hätte. Der Stammtisch steht für mich symbolisch dafür.
Kannst du den Satz: „Mir ist nicht egal, dass…“ vervollständigen?
Mir ist nicht egal, dass viele Leute sich davor fürchten müssen, sie selbst zu sein. Unsere Gesellschaft ist geprägt von Druck und Erwartungen, die meistens nicht einmal Sinn ergeben. Und oft fühlt sich die Suche nach dem eigenen Selbst schon wie ein Kampf an. Würden wir alle uns diesem Druck beugen, wäre die Welt ein sehr langweiliger Ort. Und Comic-Zeichner gäbe es wohl auch keine.
Für dieses Projekt möchte ich gerne Werbung machen:
„The Machinist“. The Machinist ist mein erster veröffentlichter Comic und in ihm stecken 6 Jahre harter Arbeit. (Interview) Es ist die Geschichte von Silhouette, einer Mechanikerin, und wie sie und Andere gegen eine Welt rebellieren, die ihnen keine Zukunft verspricht. Die Geschichte umfasst 240 Seiten in Vollfarbe und kommt im schicken Hardcover daher. Kaufen könnt ihr ihn hier bei Etsy.
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