7AUF1STRICH – das sind täglich 7 Fragen an Comic-Zeichner*innen und Illustrator*innen. Normalerweise. Manchmal stelle ich allerdings auch andere Menschen vor, die irgendwie mit der Comic-Szene zu tun haben. Diesmal: Christian A. Bachmann.
Christian A. Bachmann (Dr.) hat 2008 als Student einen Wissenschaftsverlag mit den Schwerpunkten Comicforschung, Literatur- und Kulturwissenschaften gegründet. Er lebt und arbeitet in Berlin.
Wie ist deine Leidenschaft für Comics entstanden?
Als Kind der 1980er bin ich in Essen aufgewachsen, in einer dieser kleinen Ruhrgebietshauptstraßen ohne Bäume und mit Eltern, die zwar nichts gegen Comics hatten, sich aber auch nicht weiter dafür interessierten. Gelesen habe ich, was es am Kiosk und in der Stadtteilbibliothek gab, später auch, was ich in den Groschenkisten auf dem Boden des kleinen Comicshops um die Ecke gefunden habe. Das alles ohne Anleitung und besonderem Forscherdrang: Micky Maus, Yps, Gespenster Geschichten, Asterix, Tim und Struppi, Clever & Smart. Comics waren für mich nichts besonders, sie waren völlig alltäglich. Ich habe sie dann aus den Augen verloren und erst im Studium wiederentdeckt. Geschmacksrichtung: Literaturadaption. Das war ein Erlebnis, denn im zweiten Semester der vergleichenden Literaturwissenschaft an der Ruhr-Universität hatte ich mir nach einem eher klassischen Deutsch- und Philosophieunterricht in der Schule nicht ausgerechnet, dass Comics ein Forschungsgegenstand sein könnten. Ihre Komplexität hält mich bis heute im Bann, obwohl ich auch gerne die trashigen Zeitungscomic der Frühzeit lese, die nicht in großen Ausstellungen gezeigt werden.
Die größten Hürden beim Vermarkten von Sekundärliteratur über Comics sind…
Sekundärliteratur über Comics ist eine Nische in einem Nischenmarkt und wissenschaftliche Publikationen im engeren Sinne – also eben nicht jene üppig bebilderten Coffee Table Books über seit längerem geläufige Superhelden – sind nur für einen winzigen Teil der Gesellschaft interessant, der darüber hinaus häufig Literatur aus der Bibliothek bezieht, statt sie anzuschaffen. Wo ist hier kein Hindernis? Nach bald 15 Jahren ist der Verlag aber glücklicherweise einschlägig genug, um von größeren Verlagen nun nachgeahmt zu werden.
Welche Entwicklungen in der Comicszene findest du aktuell spannend?
Das ist sicher etwas speziell, aber mich interessiert besonders die fortschreitende Professionalisierung der deutschsprachigen Comicforschung. Wurde sie lange vornehmlich von privaten Experten (leider kaum Frauen) aus privaten Leidenschaften betrieben, hat sie inzwischen in Zuhause an Universitäten und wird doch in jüngerer Zeit auch und gerade von Frauen vorangetrieben. Es fehlt allerdings noch an der aus meiner Sicht nötigen akademischen Institutionalisierung in Form von Lehrstühlen.
Welche drei neuen Talente würdest du empfehlen?
Da ich so viel Zeit mit alten Comics verbringe, vor allem solchen aus der Frühzeit der Comics um 1900, habe ich das aktuelle Geschehen nicht ganz so gut im Blick, wie ich gerne würde. Als Vater freue ich mich aber besonders über die jüngere Welle von Kindercomics (!), zum Beispiel von der bezaubernden Anne Becker, die auch so freundlich war, das sehr schmeichelhaftes Portrait von mir für dieses Interview zu zeichnen (danke!).
Was können Comics, Cartoons und Illustrationen, was andere Medien nicht können?
Comics sind ziemlich gut darin, Comics zu sein. Andere Medien, vor allem der Film, versuchen sich immer mal wieder daran, die medialen Eigenschaften der Comics in ihrer eigenen Mittel zu integrieren, was m.E. kaum funktioniert. Obwohl Comics gut Bild und Schrift miteinander verbinden können, lassen sich Comics nicht so nahtlos mit anderen Bild- und Schriftmedien verschränken. Das mag daran liegen, dass sie immer gleichzeitig Sequenz und Tableau sind, also nacheinander zu lesende Einzelbilder und seitenweise Bildarrangements bieten. Ich schätze solche mediale Selbst- und Widerständigkeit.
Dein schönstes/schlimmstes Erlebnis als Verlagschef?
Kannst du den Satz: „Mir ist nicht egal, dass…“ vervollständigen?
Mir ist nicht egal, dass die Bundesministerien für Bildung und Forschung sowie Familie, Senioren, Frauen und Jugend nicht die wichtigsten Behörden sind, denen insbesondere Finanz- und Wirtschaftsministerien lediglich zuarbeiten, indem sie für eine bestmögliche finanzielle Grundlage sorgen.
7AUF1STRICH wird derzeit mit Mitteln aus dem Stipendiatenprogramm von NEUSTART KULTUR gefördert. Herzlichen Dank! Aktuell gibt es wieder neue Stipendien, ich empfehle allen, die journalistische/kulturelle Projekte betreiben, sehr, es dort einmal zu versuchen. Mehr Infos und Anmeldung via soziokultur.neustartkultur.de
Comments are closed.