ALI’S SOFA

SIEBEN AUF EINEN STRICH – das sind 7 Fragen an Comic-Zeichner*innen und Illustrator*innen. Diesmal an: Ali’s Sofa.

Ali wurde 1981 in Berlin geboren und lebt und arbeitet derzeit dort und in einer Gemeinde von gut 4.000 Seelen im Brandenburger Fläming. Das Interview wurde im Dezember 2025 geführt.

Warum hast du angefangen zu zeichnen?

Diese Frage kann ich nicht richtig beantworten, weil die Erinnerung so lange zurückliegt. Ich habe mit dem Zeichnen angefangen, als ich noch ein kleines Kind war. Das habe ich ab dann sehr viel getan, sogar im Schulunterricht. Später habe ich mit dem Zeichnen aufgehört, weil meine Familie nicht so viel Geld hatte und ich dachte, ich müsse mich sinnvollen Dingen widmen. Ich habe dann studiert, promoviert und gearbeitet und irgendwann ging es aber nicht mehr, dass ich diese kreative Seite von mir wegdrücke. Vor drei Jahren hatte ich eine große Krise und konnte überhaupt nichts mehr machen. Das einzige, was ich tun konnte und was funktioniert hat, war zeichnen. Ich kann also eigentlich eher darüber sprechen, warum ich wieder angefangen habe zu zeichnen: weil es mich lebendig gemacht hat und mir enorme Freude bereitet hat.

Wie würdest du deinen Stil beschreiben?

Puh, schwierig. Mein Stil ist ja wirklich nach 25 Jahren Pause gerade erst wieder dabei sich zu entwickeln. Ich würde meinen Stil beschreiben als wahrscheinlich reduziert und clean – zumindest sagt man mir das immer wieder –, unperfekt, realistisch, aber gleichzeitig mit einer Tendenz zu fiktionalen Special Effects, also vielleicht in Anlehnung an so etwas wie einen Comic-Realismo-Magico. Ich habe in den letzten Jahren Charaktere entwickelt, die verschiedene Anteile von mir repräsentieren. Es gibt zum Beispiel den Wurm, der repräsentiert einen resignierten, krisenhaften Anteil. Dann gibt es den Dino. Das ist ein im Grunde gutmütiger, aber sozial sperriger, unkontrollierter Anteil. Dann gibt es ab und zu ein menschliches Wesen, das halt ich bin, wie ich versuche, in sozialen Kontexten zu funktionieren. Und diese verschiedenen Charaktere können sich visuell plötzlich ineinander verwandeln, was ich toll finde.

Welche Themen liegen dir besonders am Herzen?

Generell fasziniert mich seit meiner Kindheit die Komik und Absurdität sozialen Verhaltens und menschlicher Herausforderungen. Bisher lagen mir Liebe, Dating und die Suche nach Nähe besonders am Herzen, Versuche, Verbindung herzustellen und verstanden zu werden, auch psychische Unwegsamkeiten. Demnächst möchte ich mich mehr dem Thema „Familie“ widmen und eine Geschichte über mehrere Generationen machen.

Wie suchst du dir Inspiration?

Ganz ehrlich, ich suche mir überhaupt keine Inspiration. Die Inspiration kommt zu mir, ungefragt. Ich gucke mir an, was um mich herum passiert, und das verarbeite ich dann in meinen Comics.

Was können Comics, Cartoons und Illustrationen, was andere Medien nicht können?

Ich finde, Comics können viele wunderbare Dinge. Zum einen können sie Erfahrungen, die sonst unerträglich erscheinen, fassbar machen. Sie können sie beschreiben und in eine Einheit packen, die Leichtigkeit hat und die man verarbeiten kann. Sie können Dinge, die sonst überwältigend erscheinen, konvertieren in etwas Komisches, was man sonst vielleicht nicht gesehen oder nicht gesagt hätte. Und was ich wirklich fast am aller faszinierendsten finde, sie können erreichen, dass man als Person, die etwas erlebt, von dem man denkt, dass es einzigartig furchtbar ist und mit der eigenen Unvollkommenheit zusammenhängt, dass man als diese Person herausgeht aus der Isolation und mit den Zeichnungen eine Projektionsfläche schafft für ganz viele Menschen. Man versteht dann, dass das, was man erlebt, überhaupt nicht isoliert ist, sondern dass das auch vielen anderen Leuten so geht. Und dann kann man sowohl sich selbst als auch diesen Menschen ermöglichen, das Erlebte zu bewältigen, sich verbunden zu fühlen und gemeinsam zu lachen. Ich finde, das ist eine extrem phantastische Eigenschaft von Comics.

Dein schönstes/schlimmstes Erlebnis als Zeichner*in?

Ich fange mal an mit dem Schlimmsten, um mit etwas Positivem zu enden. Mein schlimmstes Erlebnis als Zeichnerin war meine Arbeitslosigkeit im letzten Jahr. Ich hatte bis dahin als Politikwissenschaftlerin gearbeitet und habe zu Anfang dieses Jahres meinen Job verloren. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, die freie Zeit zu nutzen, um endlich an meiner Graphic Novel zu arbeiten, die ich schon seit längerer Zeit plane. Dann hat mich aber die Angst um meine Existenz dermaßen gelähmt, dass meine Kreativität nicht mehr funktioniert hat. Ich habe dieses Jahr eigentlich fast nichts produziert und erst jetzt, zum Ende des Jahres, meine Tätigkeit wieder aufgenommen und mache jetzt ein kleines Projekt, was im Zusammenhang mit meiner Familie steht. Aber Existenzangst war überhaupt nicht gut für meine Kreativität. Mein schönstes Erlebnis war, nach 25 Jahren Pause, in diesen kurzen drei Jahren, seitdem ich wieder zeichne, die Resonanz zu erfahren, die ich erfahren habe. Ich hatte zum Beispiel zwei Ausstellungen und konnte im letzten Jahr teilnehmen am 24-Stunden-Comic-Marathon im Literarischen Kolloquium Berlin. Ich konnte dort mit anderen Zeichner:innen sprechen. Ich konnte die Resonanz der Besucher:innen einer der Ausstellungen hören. Und es war für mich auch sehr schön zu sehen, dass ich ernst genommen werde, dass das, was ich schaffe, irgendwie anschlussfähig ist, und auch zu sehen, dass die Comic-Szene eigentlich genau das ist, was ich in den letzten 25 Jahren nicht leben konnte; ein bisschen neben der Spur, divers, witzig, empathisch, hellsichtig, offen. Ich fühle mich dort absolut angenommen. Es werden super viele sehr aktuelle und wichtige Themen behandelt. Was ich natürlich auch sehr mag, ist, dass all dem ein gemeinsames Verständnis für Humor inne wohnt, und das finde ich eigentlich das allerwichtigste im Leben, dass man nie den Humor verliert.

Kannst du den Satz: „Mir ist nicht egal, dass…“ vervollständigen?

Also am meisten beschäftigt mich immer Zwischenmenschliches. Daher würde ich sagen: Mir ist nicht egal, wenn Menschen miteinander ungerecht umgehen, wenn sie die Würde von Anderen verletzen, wenn sie in Kauf nehmen, dass Andere für ihren eigenen Vorteil schlechter leben oder vielleicht gar nichts haben. Mir ist auch nicht egal, wenn Menschen ihre Verantwortung nicht wahrnehmen, wenn sie nicht für Andere einstehen, obwohl sie vielleicht die einzige Person sind, die das machen müsste oder könnte. So etwas zu sehen, beschäftigt mich sehr. Wenn Menschen miteinander nicht gut umgehen oder wenn sie indifferent bleiben, wo sie es überhaupt nicht sein sollten. Das ist, glaube ich, das, was ich am allertraurigsten finde und was ich immer sehr stark verarbeiten muss, auch in meinen Zeichnungen, und wo ich dann versuche, das witzige Element herauszustellen, weil man sich ansonsten wirklich nur die Kugel geben könnte.

Für dieses Projekt möchte ich gerne Werbung machen:

XXX

Website: alissofa.com
Instagram: @ali_s_sofa

Cheetah Man
Dating
Falafel
Miracle Child
Mirror Inside
Worm Weirdness

Comments are closed.

Navigate